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»Frühlingsglaube« von Ludwig Uhland

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Die linden Lüfte sind erwacht, sie säuseln und wehen Tag und Nacht, sie schaffen an allen Enden. O frischer Duft, o neuer Klang! Nun, armes Herze, sei nicht bang! Nun muß sich alles, alles wenden. Die Welt wird schöner mit jedem Tag, man weiß nicht, was noch werden mag, das Blühen will nicht enden. Es blüht das fernste, tiefste Tal: nun, armes Herz, vergiß der Qual! Nun muß sich alles, alles wenden! »Frühlingsglaube« von Ludwig Uhland (1787 - 1862), deutscher Lyriker und Germanist Video: Ludwig Uhland „Frühlingsglaube“ - YouTube

»Das Ideal« von Kurt Tucholsky

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Ja, das möchste: Eine Villa im Grünen mit großer Terrasse, vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße; mit schöner Aussicht, ländlich-mondän, vom Badezimmer ist die Zugspitze zu sehn – aber abends zum Kino hast dus nicht weit. Das Ganze schlicht, voller Bescheidenheit: Neun Zimmer, – nein, doch lieber zehn! Ein Dachgarten, wo die Eichen drauf stehn, Radio, Zentralheizung, Vakuum, eine Dienerschaft, gut gezogen und stumm, eine süße Frau voller Rasse und Verve – (und eine fürs Wochenend, zur Reserve) –, eine Bibliothek und drumherum Einsamkeit und Hummelgesumm. Im Stall: Zwei Ponies, vier Vollbluthengste, acht Autos, Motorrad – alles lenkste natürlich selber – das wär ja gelacht! Und zwischendurch gehst du auf Hochwildjagd. Ja, und das hab ich ganz vergessen: Prima Küche – erstes Essen – alte Weine aus schönem Pokal – und egalweg bleibst du dünn wie ein Aal. Und Geld. Und an Schmuck eine richtige Portion. Und noch ne Million und noch ne Million. Und Reisen....

»Advent« von Rainer Maria Rilke

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Es treibt der Wind im Winterwalde Die Flockenherde wie ein Hirt, Und manche Tanne ahnt, wie balde Sie fromm und lichterheilig wird, Und lauscht hinaus. Den weißen Wegen Streckt sie die Zweige hin - bereit, Und wehrt dem Wind und wächst entgegen Der einen Nacht der Herrlichkeit. »Advent« von Rainer Maria Rilke (1875-1926)

»Novembertag« von Christian Morgenstern

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Nebel hängt wie Rauch ums Haus, drängt die Welt nach innen; ohne Not geht niemand aus; alles fällt in Sinnen. Leiser wird die Hand, der Mund, stiller die Gebärde. Heimlich, wie auf Meeresgrund, träumen Mensch und Erde. »Novembertag« von Christian Morgenstern (1871 - 1914) Video: Christian Morgenstern: NOVEMBERTAG

»Lebt wohl« von Annette von Droste-Hülshoff

Lebt wohl, es kann nicht anders sein! Spannt flatternd eure Segel aus, Laßt mich in meinem Schloß allein, Im öden geisterhaften Haus. Lebt wohl und nehmt mein Herz mit euch Und meinen letzten Sonnenstrahl; Er scheide, scheide nur sogleich, Denn scheiden muß er doch einmal. Laßt mich an meines Seees Bord, Mich schaukelnd mit der Wellen Strich, Allein mit meinem Zauberwort, Dem Alpengeist und meinem Ich. Verlassen, aber einsam nicht, Erschüttert, aber nicht zerdrückt, Solange noch das heil'ge Licht Auf mich mit Liebesaugen blickt. Solange mir der frische Wald Aus jedem Blatt Gesänge rauscht, Aus jeder Klippe, jedem Spalt Befreundet mir der Elfe lauscht. Solange noch der Arm sich frei Und waltend mir zum Äther streckt Und jedes wilden Geiers Schrei In mir die wilde Muse weckt. »Lebt wohl« von Annette von Droste-Hülshoff

»Herbst« von Nikolaus von Lenau

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Rings ein Verstummen, ein Entfärben: Wie sanft den Wald die Lüfte streicheln, Sein welkes Laub ihm abzuschmeicheln; Ich liebe dieses milde Sterben Von hinnen geht die stille Reise, Die Zeit der Liebe ist verklungen, Die Vögel haben ausgesungen, Und dürre Blätter sinken leise Die Vögel zogen nach dem Süden, Aus dem Verfall des Laubes tauchen Die Nester, die nicht Schutz mehr brauchen, Die Blätter fallen stets, die müden. In dieses Waldes leisem Rauschen Ist mir als hör' ich Kunde wehen, daß alles Sterben und Vergehen Nur heimlich still vergnügtes Tauschen. »Herbst« von Nikolaus von Lenau

»Verklärter Herbst« von Georg Trakl

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Gewaltig endet so das Jahr mit goldnem Wein und Frucht der Gärten. Rund schweigen Wälder wunderbar und sind des Einsamen Gefährten. Da sagt der Landmann: Es ist gut. Ihr Abendglocken lang und leise gebt noch zum Ende frohen Mut. Ein Vogelzug grüßt auf der Reise. Es ist der Liebe milde Zeit. Im Kahn den blauen Fluß hinunter wie schön sich Bild an Bildchen reiht - das geht in Ruh und Schweigen unter. »Verklärter Herbst« von Georg Trakl Weblinks: Georg Trakl Lyrik-Portal - www.georgtrakl.at Georg Trakl-Portal - www.georgtrakl.de Gedichte: Georg Trakl - Sämtliche Gedichte